Leseprobe: Deine Stimme im Wind
- Alex Pudlich
- 23. Juli
- 20 Min. Lesezeit

Verlag: Dunkelstern Verlag
Autor: Luna Fae
Genre: Contemporary Romance
Thema: Unsichtbarkeit von Depressionen.
Contentnote: Beerdigung
Release: 03.10.2025
Meine Welt lag in Scherben. Doch gerade, als ich dabei war, mich damit abzufinden, traf ich dich. Die Frau, die mein Leben schon einmal auf den Kopf gestellt hat.
Angel.
Mir war nicht klar, wie passend dieser Name ist, bis zu dem Moment, als ich feststellen musste, dass Liebe manchmal nicht genug ist und alles, was bleibt, ist deine Stimme im Wind.
Winter Das Ende meiner Welt
»Erstarrt ist mein Herz. Gefroren jedes Gefühl. Eine Eiszeit hat begonnen und kein Ende ist in Sicht.«
Prolog
Rosenstolz – Ich geh auf Glas
Das Jahr mit dir glich einer Rose – einer Rose aus Glas: verführerisch und zerbrechlich. Doch erst als das Glas zerbrach und die Blüte in Scherben vor mir lag, erkannte ich, was ich nicht hatte sehen wollen.
Deinen Schmerz.
Schweigend saß ich auf der kalten Kirchenbank, starrte auf meine zitternden Hände. Grub die Finger in den schwarzen Stoff des Kleides, welches ich gestern erst gekauft hatte. Vorne an der Kanzel stand Luise, erzählte von ihrer Halbschwester. Kleine Anekdoten aus einem lang entfernten Leben, die alle Anwesenden zum Lachen brachten, obwohl der Schmerz zu tief lag.
Ich lachte nicht. Weinte nicht. Die Fingerknöchel färbten sich weiß. Links und rechts von mir saßen Lydia und Joschi. Ihre Wärme durchströmte meinen zitternden Körper und gab mir den Halt, den ich brauchte, um nicht hier und jetzt zu zerbrechen. Vor mir auf dem Boden stand ein großer, von einem Tuch verdeckter, Bilderrahmen. Angelehnt an meine Knie. Ein Bild von Angel, dass Lieblingsbild ihrer Mutter. Sie hatte es ursprünglich vorne aufstellen wollen, doch ihr Ex hatte sich am Ende durchgesetzt. Stattdessen stand dort ein Foto, welches seine brave, perfekte Tochter zeigte.
Einen Menschen, der sie schon lange nicht mehr war. Maria war so unglücklich mit der Entscheidung gewesen, doch hatte nicht die Kraft dazu gehabt, sich dagegen zu wehren. Aber ich hatte sie. Zumindest redete ich mir das seit Tagen ein und wurde von unseren Freunden darin bestärkt. Bald würde ich aufstehen. Auf meinem Schoß lagen Karteikarten, darauf Stichpunkte für die Rede. Ich sollte als Letztes nach vorne, haben sie gesagt. Weil ich eine andere Jeanne kennenlernen durfte. Jene, die hinter der Maske aus Lachen und frechen Sprüchen existierte.
War dem so? Kannte ich sie wirklich?
Mit jeder Sekunde beschlich mich das Gefühl, eine Heuchlerin zu sein. Und der Gedanke daran, vor all diese Menschen zu treten … ich wusste nicht, ob ich dem gewachsen war. Wollte ich vor ihnen mein Herz ausschütten und über eine junge Frau sprechen, welchen den Meisten unbekannt war? Eine Hand legte sich auf meinen Rücken und ich verkrampfte ein wenig. Eine Stimme flüsterte mir ins Ohr – Ivy, die sich extra hinter mich gesetzt hatte. Ich wusste, dass sie mir Trost spenden und Mut machen wollte, doch erreichten ihre Worte mich nicht. Sie war so weit weg. Oder vielleicht war es auch ich, die sich entfernt hatte. Wer wusste das schon so genau.
Die Gesichter und Stimmen, vorne an der Kanzel, wechselten. Und dann sickerte mein Name durch den grauen Schleier meiner Trauer. Langsam stand ich auf und bereute es, mich nicht zu Maria in die erste Reihe gesetzt zu haben. Stattdessen musste ich den Mittelgang entlang schreiten, sämtliche Blicke auf mir spürend. Bei jedem Schritt auf die Kanzel zu meinte ich, dass sich diese wieder ein Stück in die Ferne rückte.
Innerlich schrie alles in mir.
Warum hilft mir niemand?
Warum starrt ihr mich alle an?
Warum erlöst mich keiner von euch?
Meine Finger umklammerten den Rahmen. Ich fixierte das Bild vorne. Eine fremde Frau starrte mich darauf an. Aus kalten, dunklen Augen, in denen jede Lebensfreude fehlte. Mein Mund wurde trocken und ich sah runter auf das Bild in meinen Händen. Ich tat das Richtige. Auch wenn ich vor Angst verging. Als ich wieder aufblicken wollte, bemerkte ich mehrere Schatten neben meinem und warf einen Blick über die Schulter. Ich schaute in lächelnde Gesichter und Erleichterung breitete sich in mir aus.
Lydia.
Ivy.
Karo.
Yannik.
Joshua.
Sie alle waren mit mir aufgestanden und blieben an meiner Seite. Sie ließen mich nicht allein. Zum ersten Mal seit Tagen, verlor ich den Kampf gegen die Tränen, nickte und setzte meinen Weg fort. Vorne an der Kanzel eilten Yannik und mein Bruder zu dem Bild und nahmen es von der Staffelei. Ich trat dazu, drehte mich zu Maria, die weit entfernt war, von jener lebensfrohen Frau, die ich kennengelernt hatte. Mit weit aufgerissenen, geröteten Augen sah sie mich an. Am Ende der Bankreihe erhob sich ein hagerer Mann mit ähnlich kantigen Zügen wie Angel.
Ihr Vater.
Sofort bauten sich unsere Freunde zwischen uns auf, damit er sich wieder hinsetzte. Er zögerte und für einen Augenblick trafen sich unsere Blicke, doch dann sah ich zu Maria und richtete meine ersten Worte an sie.
»Du liebst dieses Bild so sehr und … Angel hat hiervon nichts. Aber du bist hier. Dir wird dieser Tag viel zu lange in Erinnerung bleiben. Dann wenigstens mit dem Foto, welches du so gerne hier stehen haben wolltest.«
Joschi half mir dabei den Rahmen auf die Staffelei zu stellen. Behutsam zog ich den dunklen Stoff ab und gab den Blick auf eine junge Frau frei, welche in kurzer Hose und Muskelshirt im Gras saß. Ihre kurzen roten Haare leuchteten im Licht der Sonne und sie war bedeckt mit geschnitten Rosen. Sie sah genervt in die Kamera, doch in den Mundwinkeln versteckt, lag ihr wundervolles Lachen. Es war aus dem ersten Monat unserer Beziehung und ich wünschte, dass dieser Moment nie vergangen wäre.
Langsam drehte ich mich zur Kanzel, wo Marias Schwester stand und sich die Tränen wegwischte. Bei ihr angekommen, umarmten wir uns.
»Danke«, wisperte sie. Dann übergab sie das Wort an mich. Atmen. Ich konzentrierte mich darauf, zu atmen. Tief ein und wieder aus. Dabei zog ich die Karteikarten aus der Tasche meines Kleides und ordnete sie ein letztes Mal. Und obwohl ich wusste, dass man dies nicht machte, räusperte ich mich und blickte auf die Trauergäste hinab.
»Ich traf Jeanne zu einer Zeit, als ich nur ein Schatten war.
Ein Schatten hinter jenen, die sich Freunde nannten.
Hinter meinen Eltern.
Ein Schatten meiner selbst.
Ich hatte nie gelernt, zu leben, oder wie es ist, wenn man für sich einsteht. Jeanne, die ich als Angel kennenlernte, lehrte mich all das. Sie gab mir die Kraft, mich zu erheben und für meine Werte einzutreten. Selbst wenn dies bedeutete, dass es zwischen uns nicht immer leicht war.
Sie war das Licht, welches mich aus der Dunkelheit führte. Und obwohl sie so stark erschien, stand ich nie in ihrem Schatten, sondern wurde von ihr neben sie gezogen. Raus aus meinem Versteck. Dank ihr fand ich heraus, wer ich bin.
Aber leider blendete ihr Licht uns alle. Das schönste Lachen auf dieser Welt übertönte ihre stummen Schreie. Der Regen verwischte die Tränen. Ich weiß, dass jemand, der gehen will, nicht aufgehalten werden kann. Dennoch … die Fragen bleiben.
Was wäre, wenn …?
Wenn wir es gesehen hätten?
Wenn wir sie gehört hätten?
Würde ich dann bald mit ihr an der Spree sitzen und die ersten warmen Sonnenstrahlen, bei einem kalten Bier genießen? Die Fragen bringen uns nicht weiter. Dennoch sind sie da und wir werden sie nie beantworten können.
Man sagt, dass die Stimme das Erste sei, was man vergisst. Deswegen werde ich mich an diese Erinnerung klammern. Weil ich ihre so geliebt habe. Nach einer langen Party-Nacht war sie rauchig, wie die von Marlene Dietrich. An anderen Tagen hell und klar, wie die einer Sopranistin im Chor. Sie war meine Rose. So wunderschön und dornenreich. Doch die Rose war aus Glas und zerbrach viel zu schnell. Und weil ich die Scherben nicht mehr zusammensetzen kann, Angel, möchte ich meine letzten Worte an dich richten …
Wenn du dort oben auf deiner Wolke sitzt und zu uns herabsiehst, dann flüstere doch ab und an, damit ich sie höre: deine Stimme im Wind.«
Frühling
20. März – 20. Juni
»Als wir uns trafen, begann das Eis in mir zu schmelzen. Das Leben kehrte zu mir zurück. Dank des Frühlings unserer Liebe.«
Kapitel 1 Rosenstolz – Vom Wesen der Liebe
Meine Welt lag in Scherben, seit jener ersten Nacht, in der ihre Lippen auf meiner Haut die Vernunft zum Sündenfall erklärten. Nie, so dachte ich, würde ich jemanden finden, in dessen Augen ich wahrhaftig mich sah. Ohne Vorurteile. Ohne Scham. Einfach nur mich.
Angel. Sie erschütterte meine Welt und meine Seele. Und nach nichts sehnte ich mich so sehr, wie nach ihrer sanften Stimme, die leise in mein Ohr hauchte, dass sie mich will. Jetzt. Hier. Mit jeder Faser ihres Körpers. Unsere Küsse brannten wie Flammen auf meiner nackten Haut. Ich hatte geglaubt, endlich den einen Menschen gefunden zu haben, der mein Für immer sein wollte.
Wie töricht ich doch war.
Zwei Jahre lagen seit jenen Sommernächten, in denen wir uns beinahe jeden Abend trafen, und heute. Dennoch brauchte ich mich nicht umzudrehen, als sie mit einem Mal dicht hinter mir stand. Der vertraute Duft nach Vanille und Salted Caramel drang in meine Nase, trug mich fort, zu jenen Tagen, die ich vergessen glaubte. Meine Welt, lag in Scherben. Weil die Liebe nicht dachte. Wir hatten März und die ersten richtig warmen Sonnenstrahlen trieben die Menschen nach draußen, um den grauen Winter endlich hinter sich zu lassen. Draußen vor dem Späti warten meine Freundinnen auf mich, während ich vor der Kühlung stand und versuchte mich für ein Bier zu entscheiden.
Die Gruppe hinter mir, war mir nicht entgangen. Und von der ersten Sekunde, kamen mir die Gesichter vertraut vor. Doch ich hatte sie nicht zuordnen können. Bis jetzt. Ich wagte nicht, mich nach ihr umzudrehen. Nicht auszudenken, dass sich am Ende unsere Blicke trafen und sie mich doch noch erkannte. Dabei spiegelte sich ihr Gesicht in der Scheibe und für Sekunden meinte ich, sie würde direkt in meine Augen sehen. Einbildung. Bestimmt.
Krampfhaft widmete ich mich wieder der Auslage. Die Entscheidung war gar nicht so leicht. Klar, draußen war es warm. Aber deswegen gleich was Leichtes, Fruchtiges wie V+, Becks Lemon oder ein Gösser? Das war für mich eher etwas für den Sommer, wenn die Temperaturen tagelang die dreißig Grad Marke deutlich überschritten und alles andere zu schwer war. Ich neigte den Kopf zur Seite und tippte mir nachdenklich ans Kinn. Was Bier anbelangte, war ich an normalen Tagen schon wählerisch. Doch heute war der Wurm drin. Mir wollte nichts so richtig zusagen.
»Darf ich mal?«
Erschrocken fuhr ich zusammen und murmelte eine Entschuldigung, während ich dazu ansetzte aus dem Weg zu gehen. Ich hatte sie nicht ansehen wollen und tat es nun doch. Mir stockte der Atem und mein Herz schlug so schnell, dass ich sicher war, es würde jeden Augenblick einfach aus meiner Brust springen, wie ein frisch geschlüpfter Alien.
Angel.
Sie sah anders aus als bei unserer letzten Begegnung. Unter ihrem schwarzen Beanie schauten pinke Spitzen hervor. Herausgewaschen, an manchen Stellen schon fast blond und durchzogen von Spliss. So stark, dass ich nicht einmal nahe herangehen brauchte, um das zu erkennen. Ich starrte sekundenlang in ihre graublauen Augen, in denen etwas Wartendes lag. Bis mir klar wurde, dass sie mich nicht erkannte und wortlos zur Seite trat.
Vielleicht war es besser so. Aber was für ein unglücklicher Zufall, dass ich sie ausgerechnet dann traf, wenn sich meine Freundinnen den ganzen Tag über ihre neuen Eroberungen unterhielten. Da war es wieder, dieses Berliner Phänomen. Eine Großstadt, in der Millionen Menschen lebten und ich begegnete der einzigen Frau, die es durch ihre bloße Anwesenheit schaffte, meine Welt aus dem Takt zu bringen.
Und das nach all der Zeit. Ich dachte an Haken, die sich nicht blau färbten. Bis es nicht einmal mehr zwei wurden. Blockiert, ohne ein Wort der Erklärung. Ohne Abschied. Ohne die Chance, damit abzuschließen. Und jetzt stand sie neben mir und suchte die Reihen hinter der Scheibe ab, wobei sie nachdenklich an ihrer Unterlippe nagte.
Genau wie damals.
Auf ihrer Stirn bildeten sich feine Fältchen und ich beobachtete jede noch so kleine Regung. Immer wieder zog der Duft nach Vanille zu mir und ich schloss die Augen, um meine Nerven zu beruhigen. Als ich sie wieder öffnete, hellte sich ihre Miene auf. Sie riss die Kühlschranktür auf, etwas zu schwungvoll, was ihr das Klirren der Flaschen mahnend mitteilte. Entschuldigend sah sie zu dem Verkäufer, der uns beide argwöhnisch musterte. Dann wandte sie sich wieder den Getränken zu, hockte sich hin und schob die vordersten Flaschen beiseite, um an eine der Kälteren zu gelangen. Als sie sich aufrichtete, sah sie mich direkt an.
»Also wenn du was anderes suchst, etwas das nicht zu süffig aber gleichzeitig nicht zu schwer ist …, dann empfehle ich ein Odin. Süßlich und herb. Schwarzbier mit Honig.«
»Ähm«, brachte ich hervor. »D-danke.«
»Kein Ding. Sahst ganz schön lost aus. Na dann, man sieht sich.«
Sie zwinkerte mir zu und lief zu ihren Freundinnen zurück und mir wurde klar, wie lange ich sie angestarrt hatte. Am liebsten wäre ich augenblicklich im Erdboden versunken. Doch vor mir tat sich leider kein Loch auf und so blieb mir nur, mir nichts anmerken zu lassen und mich dem Kühlschrank zuzuwenden. Hinter mir hörte ich die Türglocke zwei Mal läuten. Sie hatten den Laden verlassen. Erleichtert atmete ich auf und öffnete die Kühlschranktür, hockte mich hin und nahm mir eines der hinteren Odins, welches sie mir empfohlen hatte. Skeptisch beäugte ich das Etikett.
»Na ob das schmeckt?«
Die Glocke läutete erneut. Schnelle Schritte näherten sich und neben mir stand auf einmal jemand. Als ich hochsah, lehnte eine junge, blonde Frau an der nächsten Kühlschranktür und grinste mich breit an. »Meine Freundin würde sich das so nie trauen, aber sie fand dich gerade ziemlich süß. Wir sind heute Abend in der Sphäre. Also … vielleicht sieht man sich ja dort. Natürlich rein zufällig und du hast das nicht von mir gehört. Deal? Super! Bis heute Abend.«
Sie nahm mir die Flasche ab, zwinkerte und marschierte damit zur Kasse, während ich perplex auf dem Boden hockte und in meine leere Hand starrte. Sekunden vergingen, ehe ich seufzend eine Neue herausnahm, mich erhob und zum Tresen ging. Ich sah, wie sie zur Tür rauslief und sich draußen zu dem Rest gesellte. Die Gruppe stand genau neben Elena und Roxi, welche ständig zu ihnen rübersahen, nur um dann zu tuscheln und zu lachen.
Nie schämte ich mich so sehr für die beiden, wie in diesem Augenblick. Vielleicht gelang es mir, genug Zeit zu schinden, dass die anderen schon weg waren, wenn ich nach draußen ging. Meinen Blick zog es wieder zu der Gruppe rund um Angel. Zu der Blonden, die mich so offensiv eingeladen hatte. Einen Moment lang versuchte ich, das Gesicht zuzuordnen. So wie Angel, handelte es sich um eine Freundin meiner Mitbewohnerin, die definitiv schon mal bei uns zuhause war. Aber ich kam nicht auf den Namen.
Derweil sah Angel noch einmal zum Laden, unsere Blicke trafen sich – falls sie mich überhaupt durch die Scheibe sah – und ich wich aus und eilte zur Kasse.
Als ich nach draußen trat, waren sie weg und die Einladung hing wie ein Damoklesschwert über mir. Drohend und aufregend zugleich. Ich versuchte, mich zu erinnern, wann ich zuletzt abends weg gewesen war. Und bis auf Ivys Home-Partys, denen ich nur schwer entkam, oder den Spieleabenden mit Elena und Roxi, wollte mir nichts in den letzten Jahren einfallen. Und nun stand ich vor dem Späti, lächelte und hörte mich mit meinen Freundinnen reden, obwohl ich längst woanders war. In der Sphäre, wo vielleicht der schönste Abend auf mich wartete. Oder der Schlimmste.
***
Unsere Wohnung befand sich in einer dieser Plattenbausiedlungen von Hohenschönhausen. Triste Fassaden reihten sich aneinander und sperrten die Welt drumherum aus. Das Grau wurde immer wieder von kleineren Grünflächen durchbrochen, die den Blick ablenken sollten. Doch wer genau hinsah, dem entging nicht, wie gekünstelt diese winzigen Oasen daherkamen. Und dennoch saugte ich ihren Anblick jedes Mal aufs Neue in mich auf. Versuchte mir vorzustellen, wie die Natur sich eines Tages erheben und diese Gegend erobern würde.
Dann wären die kahlen, weiß-grauen Fassaden überwuchert von dichten, satt grünen Ranken. Und die dunklen Betonplatten, welche Gehwege und Straßen bildeten, aufgebrochen, um den Wurzeln zu weichen. Überall würde es vor Leben wimmeln und die Tiere bräuchten nur einander fürchten. Die Menschen wären dann nicht mehr hier und sie endlich frei.
Ich wanderte durch meine Traumwelt, nahm andere Passanten nur als Schemen wahr, denen ich abwesend auswich. Bis ich die Stufen zu unserem Hauseingang hinaufstieg. Das Laub und die Ranken am Geländer, die sich nach und nach auflösten und von denen nichts weiter blieb als eine rostige alte Metallstange, deren roter Lack an zig Stellen abblätterte. Und der Duft von blühenden Blumen und frischem Tau, wich dem des überfüllten Müllhäuschens hinter mir. Frustriert drehte ich mich um und betrachtete einen Moment lang die Abfälle, in denen sich die Ratten abends tummelten.
Vorbei war der Traum und die Realität hatte mich wieder. Schnaubend wandte ich mich dem Eingang zu und kramte den Schlüssel aus meiner Tasche, als sich die Tür öffnete und eine Nachbarin ins Freie trat. Sie hatte eindeutig gesehen, wie ich suchte, doch als ich ihr lächelnd einen guten Tag wünschte, ließ sie die Tür zufallen und ging wortlos an mir vorbei die Treppe hinunter. Perplex starrte ich ihr nach.
»Ihnen auch einen wunderschönen Tag«, murmelte ich, als sie aus meiner Sichtweite verschwand.
Dann eilte ich zur Tür und schloss selbst auf. Im Inneren des Gebäudes war es dunkel, das Tageslicht fiel nur in seltenen Augenblicken hier herein und die Neonleuchten an der Decke waren seit Wochen kaputt. Dafür schlug mir, neben der kühlen Luft, der beißende Geruch von Putzmitteln entgegen. Immerhin darauf konnte man sich stets verlassen: Einmal die Woche, marschierte die Putzkolonne durch das Viertel und reinigte die Treppenhäuser. Ein Umstand, für den ich spätestens am Donnerstag sehr dankbar war. Ich stutzte.
»Seltsam, normalerweise ist der Putztag doch erst am Freitag.«
Schwankend stand ich mitten im Eingangsbereich, hin und hergerissen, ob ich direkt zum Fahrstuhl gehen sollte, oder erst zum schwarzen Brett. Ich schaltete meine Musik aus und steckte die Kopfhörer ein – Zeit schinden, um mich zu entscheiden. Stimmen aus dem Treppenaufgang nahmen mir diese am Ende ab. Ich huschte zum Fahrstuhl und wartete ungeduldig, bis dieser im Erdgeschoss ankam. Bloß keinem Nachbarn begegnen. Die Stimmen kamen näher. Das Summen und Poltern des Aufzuges ebenfalls. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem ich immer nervöser wurde. Ich beobachtete die Zahlen auf der Anzeige über mir. Drei. Zwei.
Los, dachte ich, beeil dich mal!
Eins.
Erdgeschoss. Die Türen öffneten sich, ich hechtete in den Aufzug und drückte mehrfach hintereinander die Sechzehn. Langsam und gemütlich schlossen sie die Türen und ich sah durch den schmalen Spalt, wie eine größere Gruppe aus dem Treppenaufgang trat. Dann waren sie zu und der Lift begann seine Fahrt in eines der obersten Stockwerke.
Oben angekommen schloss ich die Tür auf. Aus dem Zimmer meiner Mitbewohnerin schallte Musik durch den Flur. Also war sie zuhause – ich schwankte, wie schon auf dem Heimweg. Ivy ging regelmäßig aus und sah jedes Mal umwerfend aus, dabei tat sie nicht viel und betonte, dass ich auch nach – an dieser Stelle zögerte sie meistens – mehr aussehen könnte. Ich seufzte und schaltete das Licht im Flur ein.
Sie um Hilfe zu bitten hätte aber noch einen weiteren Vorteil gehabt. Oder auch Nachteil. Je nachdem, wie man es betrachtete. Ivy war eine von Angels besten Freundinnen. Sie kannte sie und hätte womöglich eine Idee, wie ich es schaffte sie zu beeindrucken. Aber ihr erzählen, dass es um Angel ging? Mal wieder? Ich seufzte.
»Bin zu Hause« rief ich, wobei mir klar war, dass das Ivy nicht kümmerte. So erwartete ich keine Antwort und erhielt keine.
Vier Jahren wohnten wir zusammen und redeten so gut wie nie miteinander. Am Anfang gab es noch diverse Versuche auf beiden Seiten. Vor allem bei ihren Partys. Aber zwischen uns lagen Welten und nach dem Desaster mit Angel hatte ich mich einmal mehr in mein Schneckenhaus verkrochen – etwas, was ich jetzt bereute, weil ich dringend Hilfe brauchte. Aber Roxi und Elena wollte ich nicht bitten. Sowas führte nur zu Fragen. Und im schlimmsten Fall, zu unpassenden Kommentaren, die alle darauf abzielten, mir den Plan auszureden und genau das brauchte ich heute nicht.
Ich seufzte schwer und wandte mich der Kommode neben der Garderobe zu, auf der die Schale für unsere Schlüssel stand. Direkt darüber hing ein Spiegel, aus dem mir ein graues Mäuschen entgegen starrte. Unscheinbar, Straßenköter blonde Locken, aus denen die letzte Farbe vor Monaten raus gewaschen oder gewachsen war und die ungekämmt zum Zopf zusammengebunden waren. Das ausgeleierte Haargummi hielt sie kaum zusammen und so hatten sich über den Vormittag hinweg immer mehr Strähnen gelöst und die standen jetzt wild ab.
Und dann waren da diese trüben Augen. Traurig-müde, graugrüne Augen, die mehr an einen Tümpel erinnerten als an alles andere. Keine Edelsteine. Keine weiten Meere. Keine tiefen Ozeane. Einfach nur ein brackiger Tümpel und nichts, was sich für romantische Zeilen eignete.
Ich seufzte ein weiteres Mal. Wem machte ich da eigentlich etwas vor? Am Ende war es doch nur ein schlechter Scherz und sie hatten Wetten abgeschlossen, ob ich echt so naiv war zu kommen. Vor meinem geistigen Auge sah ich sie lachen und mit dem Finger auf mich zeigen. Die Szene baute sich weiter aus, die Musik wurde leiser, jeder wusste, was passiert war. Ein Mauerblümchen dachte, dass jemand Interesse an ihr hatte. Und alle lachten.
»Willst du den ganzen Nachmittag vor dem Spiegel stehen?«
Die ruppige Stimme meiner Mitbewohnerin riss mich aus der düsteren Traumwelt. Und ehe ich Gelegenheit bekam, darüber nachzudenken, übernahm mein Mund die Kontrolle. Ich drehte mich zu ihr um und bevor sie in der Küche verschwand, sagte ich:
»Ivy, ich brauche deine Hilfe.«
***
Eventuell war es der größte Fehler meines Lebens, dass ich meine Mitbewohnerin um Hilfe gebeten hatte. Oder es war die beste Entscheidung. Ich war mir unsicher. Denn aus der harmlosen Shopping-Tour, war der Plan zu einem Umstyling geworden, den sie jetzt konsequent durchsetzte. Jetzt blickte ich in den Spiegel und starrte einer Fremden entgegen. Meine straßenköterblonden Haare leuchteten in einem dunklen Pink und waren deutlich kürzer. Wenigstens wusste ich jetzt, womit Ivy ihr Geld verdiente: Sie war Friseurin und im Gespräch im nächsten Frühjahr die Zweitfiliale ihrer Chefin zu übernehmen.
Während sie meine Haare blondiert und in Form geschnitten hatte, hatte sie gelassen über ihr Leben geplaudert. Und am Anfang war es gar nicht so leicht gewesen, ihr zu folgen. Ivy sprach schnell und sprang zwischen den Themen hin und her. Doch spätestens als sie begonnen hatte das Pink aufzutragen, lauschte ich ihren Erzählungen mit einer Mischung aus Faszination und Betroffenheit.
»Und, was sagst du?«
Ihre raue Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich senkte die Hand und suchte ihren Blick im Spiegel. Mit einem Lächeln nickte ich. »Es ist … anders.«
»War das Ziel.«
»Ich glaube, so kurz waren meine Haare noch nie.«
»Fehler«, meinte sie und trat direkt hinter mich, um mit den Händen die Locken leicht von unten anzuheben. »Deine Locken haben so deutlich mehr Sprungkraft, weil sie von weniger Gewicht nach unten gezogen werden. Außerdem wirkt es so verspielter. Und vor allem nicht so bieder.«
Ich kräuselte die Lippen. »Was ist so schlimm an bieder?«
»Nichts. Aber bist du bieder?« Als ich nicht antwortete, nickte sie mit einem breiten Grinsen. »Na also. So und jetzt kleiden wir dich ein und kümmern uns um dein Make-up.«
»Du willst mich schminken?«, rief ich entsetzt aus.
»Keine Sorge, nichts Auffälliges. Ein bisschen die Augenringe und die roten Stellen vom Rasieren verdecken.« Die Hitze stieg in meine Wangen. Mein Spiegelbild verhöhnte mich in diesem Moment regelrecht, indem mir die angesprochenen Stellen umso mehr auffielen. Nachdenklich tippte sich meine Mitbewohnerin ans Kinn. »Vielleicht auch den Schatten über der Lippe.«
Ich riss die Augen auf und drehte mich zu ihr um. »Das sind Sommersprossen.«
Sie runzelte die Stirn und kam etwas näher. »Oh, du hast recht. Im falschen Licht sehen die aber echt aus wie ein Oberlippenbärtchen. Was ja nicht schlimm wäre. Immerhin leiden etwa 5 bis 10 Prozent der Frauen an Hirsutismus.«
»An was?«
»Hirsutismus. Eine Körperbehaarung, die eher dem gesellschaftlichen Bild des Mannes entspricht und durch ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt ausgelöst wird.«
»Ah ja, okay. Nein, das über der Lippe sind Sommersprossen und kein Bart.«
»Und am Kinn sind auch nur Sommersprossen?«
»Nein, das sind rasierte Stoppeln. Kam heute Morgen nicht zum Zupfen und jetzt sind die zu kurz dafür.«
»Na wir kaschieren das dezent genug, damit das keiner sieht. Das Clublicht wird dann sein Übriges tun. Aber zieh dich schon mal um, ich komm gleich mit dem Make-up.«
Nickend wandte ich mich der Wohnzimmertür zu und verließ den Raum mit der Überlegung, ob mein Zimmer vorzeigbar war. Im Vorbeigehen griff ich nach den Tüten, mit den neuen Sachen. Kurz darauf verschwand ich gegenüber und stand in meinem kleinen Reich, schaltete das Licht an und seufzte. Viele Möglichkeiten zum Aufräumen gab es nicht, mir blieb nichts anderes übrig als damit zu leben, dass Ivy gleich hinter mein kleines Geheimnis kam.
Ich sah mich um. Gefühlt jede Ecke des Raumes, wurde von mir als Arbeitsplatz missbraucht. Selbst am Fußende des Bettes stapelten sich fertige Zauberstäbe mit verschiedenen Edelsteinen an der Spitze, die ich heute etikettieren und fotografieren wollte – tja, dafür blieb jetzt keine Zeit mehr.
Mit einem weiteren Seufzen widmete ich mich den Taschen und kippte unsere Ausbeute aufs Bett. Skeptisch begutachtete ich die einzelnen Teile, die gar nicht mehr so cool aussahen. Da es allerdings schon um acht war, blieb keine Zeit, um alles über den Haufen zu werfen und umzuplanen. Also Augen zu und durch. Kurz darauf stand ich vor dem Spiegel und starrte der jungen Frau entgegen, die mich daraus abschätzig musterte. Sie – also ich – trug ein schwarzes Kleid. Der Rock begann eine Handbreit unterhalb der Brust und endete knapp unter meinem Hinterteil.
Ich schluckte.
Die Tür wurde geöffnet. Ivy setzte einen Fuß ins Zimmer und hielt mitten in der Bewegung inne. Mit offenstehendem Mund sah sie sich um. Panik stieg in mir auf und ich suchte nach etlichen Erklärungen, die nicht allzu abgedreht klangen und mich wie einen Freak erscheinen ließen. Aber wie sollte ich einen Haufen Edelsteine, Wäscheleinen, die durch den gesamten Raum gespannt waren und an denen gefärbte Lederstücke hingen, und ein ganzes Regal mit bauchigen Flaschen, deren Inhalt bei jeder kleinen Bewegung schimmerte, erklären?
»Wahnsinn!«
Ich blinzelte.
»Was ist das für ein krasses Zeug?«
Nicht die Reaktion, mit der ich gerechnet hatte. »Ähm das sind Produkte, die ich verkaufe«, murmelte ich und nestelte an dem Spitzensaum meines Kleides. »Weiß, ganz schön albern.«
»Albern? Wow, bei dir muss echt einiges im Leben schiefgelaufen sein. Weißt du überhaupt, wie cool das ist? Machst du das alles selbst? Sogar das Papier?«
Sie deutete auf einen Stapel gräulichen Papiers, das ich eigenhändig geschöpft hatte und das darauf wartete, dass ich daraus eines meiner Lederbücher band. Ich nickte, irritiert von ihrer Begeisterung. Schweigend beobachtete ich sie dabei, wie sie sich die Lederstücken ansah. Einige davon waren mit Prägungen versehen, über die sie ihre Fingerspitzen gleiten ließ. Leise räusperte ich mich, damit wir uns wieder dem bevorstehenden Abend zu wanden. Mit einem Grinsen drehte sie sich zu mir um.
»Ja, das Outfit gefällt mir.«
»Ich weiß nicht. Ist das nicht ein bisschen zu gewagt? Der Rock ist extrem kurz.«
»Er bedeckt, was er bedecken soll«, entgegnete sie. »Außerdem trägst du Strumpfhosen und deine kurzen Leggings drunter. Von daher …«
»Ja, aber …«
»Nicole, vergiss einmal für einen Moment, dass das im Spiegel du bist, und sieh dir die junge Frau an. Wenn du die so im Club treffen würdest, was wären deine Gedanken?«
Augenrollend drehte ich mich um und betrachtete mein Spiegelbild. Mir dabei vorzustellen, dass das nicht ich war, war gar nicht mal so schwer. Wer mich dort ansah, konnte gar nicht ich sein. Zumindest redete ich mir das ein, weil ich mich nie in so kurzen Röcken nach draußen gewagt hätte. Und schon gar nicht, wenn das Oberteil so eng geschnitten war. Ich hatte erwartet, dass es jedes kleine Röllchen unvorteilhaft betonte, doch das Gegenteil war der Fall.
Aber dann fiel der Blick auf meine Oberarme, die unter den kurzen Ärmeln hervorschauten. Da war sie, die Unsicherheit. Obwohl es nicht stimmte, bildete ich mir ein, dass der Arm vom Ärmel gequetscht wurde und es aussah, als würde das Fleisch herausquellen. Ich seufzte, überlegte, mich umzuziehen.
»Warte mal einen Moment«, ertönte es hinter mir und ehe ich Zeit erhielt zu reagieren, war Ivy aus dem Zimmer verschwunden.
Unsicher sah ich ihr nach. Mein Handy vibrierte und auf dem Display erschien der Name unserer Chatgruppe. Als ich diese öffnete, um die Nachricht zu lesen, kam Ivy wieder rein.
»Na, wer schreibt?«
»Meine Freundinnen. Sie wollen was unternehmen.«
»Frag doch, ob sie spontan mitkommen?«
»NEIN!«, platzte es aus mir raus, weswegen mich Ivy verblüfft ansah. Von meiner eigenen Reaktion erschrocken, starrte ich sie an. »Ich … also …«
»Herzchen, wenn du so reagierst, dann solltest du dir dringend Gedanken machen, ob das die richtigen Freunde für dich sind. Ich will nicht darüber urteilen, aber in den vier Jahren, die wir zusammenwohnen, waren die auch nicht einmal zu Besuch, oder?«
Ich schüttelte den Kopf, dann deutete ich auf mein Arbeitschaos. »Sie ahnen hiervon nichts.«
»Traurig, wenn du sowas vor ihnen verstecken musst. Aber musst du wissen. Sind deine Freunde. Dein Leben. So, und nun versuch das mal.«
Sie reichte mir einen ledernen schwarzen Taillengürtel. Recht breit und einem Korsett sehr ähnlich. Doch die Seiten bestanden aus einem elastischen Band und es wurde nicht geschnürt, sondern mit Druckknöpfen geschlossen. Vorne zierten drei Schnallen mit herzförmigen D-Ringen die Lederfront. Da Ivy ähnlich korpulent war wie ich und ich den Gürtel schon einige Male an ihr gesehen hatte, machte ich mir keine Gedanken darum, dass die Knöpfe womöglich zu schwach waren. Eilig tippte ich meine Antwort, legte das Handy beiseite und nahm den Gürtel ohne Widerworte an. Nach dem Umlegen zog sich der elastische Teil, den ich zum Schließen gedehnt hatte, zusammen und drückte Luft aus meinem Bauch.
»Uff«, entrutschte es mir.
»Geht es?«
»Gewöhnungsbedürftig. Aber krass, wie stark das formt.«
»Vor allem peppt der das Kleid noch einmal auf. Aber hier, versuch den Cardigan dazu. Mit den langen Ärmeln fühlst du dich sicher wohler, musst aber dann nicht auf das Kleid verzichten oder dich komplett verstecken.«
Ich errötete. »Hat man es mir so angesehen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Dein Gesicht erzählt oftmals mehr als dein Mund. Was ziemlich interessant ist und auch sehr witzig sein kann. Lügen liegt dir schonmal nicht, dafür fehlt dir das Pokerface.«
»Was ja nicht so schlecht ist, oder?«, fragte ich, während ich den gereichten Cardigan anzog. Er war aus dünnem Jersey, mit Spitzenärmeln und fiel mir bis zu den Knien. Luftig, ein bisschen gewagt durch die Spitze und dennoch kaschierte es so einiges und ließ mich noch etwas … na ja, nicht schlanker, aber gewollter aussehen. Ich betrachtete einmal mehr mein Spiegelbild. »Seltsam.«
»Was denn?«
»Mich mal nicht in zusammengewürfeltem Schlabberlook zu sehen. Ich weiß nicht, wie ich das finde und ob mir das gefällt.«
»Wenn es dich beruhigt: Es sind nur Klamotten. Eine Hülle, die man jederzeit austauschen und ablegen kann. Sie sagen nichts über dich als Person aus, können aber unterstreichen, wer du bist. Oder sie lassen die Menschen glauben, du seist jemand anderes. Probier dich aus. Was hast du zu verlieren?«
»Ich …«, setzte ich zögernd an und sah letztlich lächelnd über die Schulter. »Heute bin ich dann wohl ein Partygirl.«
»Das klingt super!« Sie baute ihr Make-up auf meinem Schreibtisch auf und sah sich erneut um. »Hast du Instagram oder so?«
»Instagram, TikTok und Pinterest.«
»Wie heißt du da? Dann folge ich dir.« Sie zückte ihr Smartphone und ich spürte einmal mehr, wie die Hitze in meine Wangen stieg, während ich den Namen nuschelte. Sie runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
Ich seufzte. »Kitty_Witchy.«
Ja, die Liebe dachte nicht. Ansonsten wäre mir das hier erspart geblieben.
Tolle Leseprobe <3 macht die Vorfreude auf das Buch noch grösser