Hörbuch-Rezension: Wie der Winter klingt
- Alex Pudlich
- 18. Feb.
- 7 Min. Lesezeit
Romantik, mit einer überraschenden Wendung

Mit "Wie der Winter klingt" hat die Autorin Melanie Buchelt eine Liebesgeschichte geschaffen, die unter die Haut geht. Musikalisch, herzerwärmend und gewürzt mit einem Plottwist, den man nicht kommen sah. Das Print erschien am 16.12.2022 im Dunkelstern Verlag und umfasst 270 Seiten. Genau zwei Jahre später, am 16.12.2024 folgte das Hörbuch, welches von Manu Rose gelesen wird und insgesamt sieben Stunden und fünfundzwanzig Minuten Hörvergnügen bietet.
»Ich versuche, mir an der Sonne ein Beispiel zu nehmen, die unermüdlich Neuanfänge hervorbringt: einen neuen Tag, eine andere Jahreszeit oder das Sprießen der Knospen und Blätter an den Bäumen. Sie kann Eis und Schnee zum Schmelzen bringen, warum sollte dann nicht auch für mich irgendwann ein neues Leben anfangen? Solange die Natur uns diese Schönheit täglich vor Augen führt, habe auch ich einen Grund, aufzustehen.«
Romance und auch noch ein Hörbuch.
"Wie der Winter klingt" schrie jetzt nicht danach mein nächstes Leseerlebnis zu werden. Was nicht an der Story selbst liegt, sondern schlicht daran, dass ich üblicherweise ja eher Fantasy und Horror lese. Und Hörbücher habe ich die letzten Jahre erfolgreich gemieden. Der Griff zu diesem Buch, lag nicht zuletzt daran, dass ich Musik liebe und die Werbung von der Autorin mir sehr viel davon zwischen den Buchdeckeln versprach. Hinzukam, dass ich aktuell noch ein anderes Buch von ihr lese und sie es bereits auf den ersten vierzig Seiten geschafft hat, mich zum Weinen zu bringen. Und das schaffen nicht viele.
"Wie der Winter klingt"
Klappentext
»Du bist ein Stück normales Leben für mich.«
Der plötzliche Verlust ihrer Mutter reißt Jane den Boden unter den Füßen weg – bis sie auf den talentierten Straßenmusiker Adam trifft. Der charmante Optimist vertreibt mit seiner Musik die erdrückende Stille in ihrem Herzen und gibt ihr neuen Mut. Doch heftige Vorurteile aus Janes Umfeld und Adams verdrängte Vergangenheit bedrohen das Glück der beiden. Ein Kampf zwischen Herz und Vernunft entflammt, der die sanfte Melodie ihrer Herzen aus dem Takt bringt.Wie gut kennt Jane den Mann, den sie liebt, wirklich?
Ein Roman über die Kraft der Musik, eine unerschütterliche Hoffnung und die kleinen Selbstverständlichkeiten des Lebens.
Meine Meinung
"Ich hätte alle Frühlinge meines Lebens gegen einen weiteren Winter mit dir eingetauscht."
Ob ich eine Geschichte mag oder nicht, hängt vor allem daran, wie die Charaktere geschrieben sind. Ein Grund, warum ich immer zuerst auf eben diesen eingehe.
"Wie der Winter klingt" beginnt direkt mit einem Schicksalsschlag für die Protagonistin. Etwas, was mir persönlich sehr zusagt, sofern das Thema gut aufgegriffen wird. Oftmals wirkt es aber platt und einfach reingeworfen - ohne Auswirkungen auf die Charaktere. Melanie Buchelt macht dies anders. Sie schafft es konsequent, dass dieser Schicksalsschlag auch die Persönlichkeit der Charaktere formt. Und zwar nicht nur von Jane, der Protagonistin. Nein, auch die Nebencharaktere, wie zum Beispiel ihr Vater, sind von den Ereignissen betroffen und handeln auch entsprechend.
Genau dasselbe, wenn man sich die Seite von Adam anschaut. Sein Handeln, seine Erlebnisse - alles beeinflusst ihn und sein Umfeld. Dadurch werden die Charaktere dreidimensional, greifbar und vor allem nahbar. Wir verstehen sie und ihr handeln. Ganz gleich, ob wir jeden mindestens einmal in der Story schütteln wollen.
Das finde ich so angenehm, dass ich sogar über die "Rosarote-Brille" von Jane hinwegsehen kann. Vor allem dank ihrer Freundin, welche die Funktion der blanken Realität innehat. Anfängliche Begeisterung, weil sich die Protagonistin endlich öffnet und das Licht der Liebe in ihr Herz lassen will, brettert innerhalb von Sekunden gegen eine Mauer aus Sorge und Zweifeln, die durch Erfahrungen und schlicht durch unsere Gesellschaft geschaffen wurde. Und da kracht Jane mit Volldampf gegen und für den Bruchteil einer Sekunde, droht bereits hier alles zu zerbrechen.
Obwohl wir an diesem Punkt ja noch gar nicht so viel über die Freundin und die Verbindung zwischen den beiden wissen, fiebern schon mit. Wird die Freundschaft DAS aushalten? Die Zweifel der anderen, die das Luftschloss der Protagonistin verwischen könnten. Allein schon, weil sie berechtigt sind. Der Realist in mir schreit: "SIE HAT RECHT! Mädel, mach die Augen auf, du kennst den Typen doch gar nicht!". Und dann blicke ich auf meine Hand und denke mir … ich sollte an der Stelle ruhig sein. Sich Hals über Kopf verlieben und alle kritischen Stimmen ignorieren? Meine Königsdisziplin. Und ich denke, dass sie da auch manch anderer wiedererkennen wird.
Dann der Vater, der versucht, sein Leben weiterzuführen. Er hat einen Laden, seine Tochter - muss Verantwortung übernehmen und hat nur wenig Verständnis für riskante Liebeleien. Trotz der wenigen Szenen, schafft es Melanie auch hier, ihn sehr realistisch darzustellen. Der Vater, der nur das Beste für seine Tochter will. Der dem Fremden nicht traut und sich einfach mehr für Jane wünscht. Ein Bedürfnis, dass wohl viele nachvollziehen können.
Das war die Seite von Jane. Wenn wir jetzt auf die von Adam blicken, erwartet uns dort ein ähnliches Bild. Seine Handlungen, die eine Familie beeinflussen. Handlungen der Eltern, die sich auf die Beziehung zwischen ihnen auswirken. Alles wird aufgegriffen und nicht einfach, wie es oft vorkommt, fallen gelassen. Es gehört fest zu Melanies Charakteraufbau dazu und das finde ich unfassbar angenehm.
Ja, der Punkt wirkt jetzt arg kurz, aber auch nur, weil es bei Adam einen anderen Punkt gibt, der mich noch viel mehr begeistert, als der Umstand, dass alle Handlungen Konsequenzen haben. Und zwar dreht Melanie Buchelt in "Wie der Winter klingt" eine Frage um, die mich als betroffene Person, unfassbar nervt.
"Wie kannst du nur den Kontakt zu deinen Eltern abbrechen? Du hast doch nur diese Eltern."
Sie schreibt es nicht aus, aber das Thema schwingt zwischen den Zeilen mit und es tut so gut zu lesen, dass hier nicht die Schuld im Kind gesucht wird, sondern sie still und heimlich fragt: "Was müssen Eltern getan haben, dass ihr Kind keinen Kontakt will?"
Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war. Aber es ist Balsam auf meiner Seele.
Als nächstes möchte ich auf die Atmosphäre eingehen. Natürlich weiß ich jetzt nicht, wie es ist, wenn man das Buch liest, da ich nur das Hörbuch kenne. Aber Melanies Schreibstil sorgt dafür, dass die Stimmung selbst bei einem riesen Plottwist nicht zerbricht, wie die Rosarote-Brille der Protagonistin. Klar, insgeheim rechnet man bereits mit dem, was Adam beichtet. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich an der Stelle kurz mit den Augen gerollt, weil das der perfekte Moment ist, um die Story zu crashen und es einfach nur noch unangenehm werden zu lassen.
Wird sie ihn trotz all seiner "Lügen" noch lieben? Hach aber natüüüüürlich. Ich rechnete mit Kitsch. Mit triefenden Kitsch. Und wurde enttäuscht.
Der Göttin sei's gedankt.
Nein, ernsthaft: Ich war wirklich positiv überrascht, dass Jane natürlich irgendwo ein bisschen schnulzig bleibt (weil es sonst wohl an dieser Stelle vorbei wäre), aber es beginnt auch alles zu bröckeln. Drama, Liebe, der Wunsch zu helfen und Realismus prallen aufeinander. Jane will Adam helfen und agiert hinter seinem Rücken. Und anstatt jetzt eine hingebungsvolle Vergebung zu schreiben, kam eine so dermaßen nachvollziehbare Reaktion von ihm, dass mir die Kinnlade runterfiel. Das war so erfrischend, weil sie die Situation im Verlauf noch einmal spiegelte und er dann der gearschte war. Auf einmal müssen sie beide nicht nur umeinander ringen, sondern sich auch mit sich und ihren Werten und Vorstellungen auseinandersetzen. Nur um abzuwägen, ob die Liebe zwischen ihnen überhaupt damit vereinbar ist.
Gerade das habe ich sehr gefeiert.
Gleichzeitig kommt der musikalische Aspekt gut zur Geltung. Immer wieder wird auf sein Geigenspiel eingegangen. Der Titel des Buches findet sich in den beschriebenen Stücken wieder. Es schafft eine Verbindung, wie Musik es oft schafft. Zwischen den Protagonisten. Aber auch zwischen Lesenden/Hörenden und Charakteren. Gerade wer, wie ich, sehr viel mit Musik verbindet, dürfte die beiden sehr gut nachvollziehen können.
Vor allem die Art und Weise, wie sein Gegenspiel beschrieben und auch genutzt wird, sorgt für eine ganz besondere Atmosphäre, in die man richtig hineintauchen kann. Wie gern hätte ich mit den beiden in dem großen Saal gesessen, um die Akustik zu genießen. Das muss einfach so toll sein.
Auch das Setting habe ich sehr genossen. Die wiederkehrenden Orte, die einem immer vertrauter werden. Melanie beschreibt detailliert, aber nicht übersättigend. Also Lesender wird man also nicht überschüttet, sondern geführt. Ich muss da gerade an mein Journalistik Studium denken, wo uns geraten wurde, uns einen Raum vorzustellen. Wir kennen diesen Raum. Wir sitzen da die ganze Zeit drin. Und dann kommt jemand Neues herein, der sich von uns diesen Raum zeigen lassen will. Die Aufgabe ist es nun, den Neuen an der Hand zu nehmen und von der Tür, durch den Raum, wieder zu der Tür zu führen. Einmal rundherum. Und das macht Melanie. Sie nimmt uns an der Hand, führt uns von der Tür weg, bleibt dort stehen, wo es gerade interessant und wichtig ist. Sie nervt uns nicht mit ellenlangen Beschreibungen eines Gegenstandes, der nachher keine Rolle mehr spielt.
Sooooo und was ist mit dem Hörbuch?
Ich habe bisher zwei Hörbücher gehört in meinem Leben. Das Känguru und ein Kinderhörbuch "Ratzegrün". Beides schon ewig her. Sprich "Wie der Winter klingt" war jetzt mein erstes, bewusst ausgesuchtes Hörbuch, seit Jahren. Wo eine Sprecherin, einfach die Geschichte vorträgt. Was mir immer Sorge bereitet hat: Ich habe meine eigene Lesestimme und hatte befürchtet, dass das in einem Hörbuch für mich schwierig werden könnte, die Stimmung oder Personen zu erfassen.
Aber Manu Rose hat hier wirklich gute Arbeit geleistet. Sie hat eine sehr klare Aussprache, eine sehr warme, angenehme Stimme, der ich ohne Probleme folgen konnte. Ich habe die über sieben Stunden an einem Stück durchgezogen. Ohne Ermüdungserscheinung. Pausen waren gut gesetzt. Es war klar zu erkennen, wer gerade spricht. Emotionen wurden gut herübergebracht. Also... Good Job!
Mein Fazit
Wertung: ✨✨✨✨✨ (5/5)
"Wie der Winter klingt" war eine wundervolle Geschichte, die mir sehr viel Freude bereitet hat. Das Zusammenspiel aus Melanie Buchelts Schreibstil und der Stimme von Manu Rose, hat dazu geführt, dass ich die volle Laufzeit des Hörspiels genießen konnte, ohne den Faden zu verlieren. Die Wendepunkte waren zwar an manchen Stellen zu erwarten oder zu erahnen, aber gut gemischt mit überraschenden Twists, wodurch die Geschichte stets in Bewegung blieb.
Die Charaktere, das was mir am Wichtigsten ist, waren greifbar und vor allem dreidimensional geschrieben. Es gab Entwicklungen und Handlungen hatten auch Konsequenzen in der Persönlichkeit.
Ich gebe hier auf jeden Fall eine Hör-/Leseempfehlung!
✨🖤✨
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